Es war einmal ein Spatzenpärchen. Dieses hatte sich in aller Sorgfalt in einer Astgabel ein Nest gebaut, aus mit Bedacht ausgesuchten Zweiglein und Federchen. Dort hinein hatte dann das Weibchen seine Eier gelegt. Abwechselnd brüteten die Spatzen über den Eiern, damit der Nachwuchs schlüpfen solle.
Doch es wollte und wollte kein Spätzlein schlüpfen. Vorsichtig klopften Spatzenadam und Spatzeneva mit ihren Schnäbelchen auf die Schalen. Immer wieder, um zu lauschen, ob sich im Innern ein Hohlgeräusch bemerkbar mache. Und tatsächlich, irgendwann höhlelete es dumpf, kaum bemerkbar. Das Hohlgeräusch wurde nur sehr, sehr langsam voller und lauter.
Das Spatzenpärchen war zwar irritiert ob der ungewohnt langen Dauer, denn längst hätten die Embryonen den Dotter auffressen und sich dann als Jungbrut aus dem Gefängnis der Eierschalen befreien müssen. Irgend etwas musste im verborgenen Innern der Spatzeneier im Gange sein, was nach den Gesetzen der Natur nicht sein dürfte.

Als das Spatzenpärchen auch nach Monaten nicht aufhörte zu brüten, wurden andere Spatzen auf das seltsame Geschehen aufmerksam. Sie begannen, ebenfalls auf die Schalen zu klopfen und zu lauschen. Immer mehr der neugierigen Piepmatze kamen dazu; immer unerbittlicher war das Forschen der zierlichen Vögelchen.
Längst hatte das Spatzenpärchen ihr Nest fluchtartig verlassen, als ein unscheinbarer Spatz es wagte, die Grenze zu überschreiten, und begann, die Eierschale des einen Eis zu zerhacken.
Wie wild stürzten sich alsdann weitere Spatzen auf die Eier, um es ihrem Vorgänger gleichzutun. Sie begannen, das gelartige Innere der Eier mit ihren Schnäbeln zu zerwühlen und aufzufressen. Es dauerte nicht lange, bis die ersten von ihnen auf dem Rücken liegend ihre schmalen Beinchen von sich streckten. Tot.

Einige schafften es, zu den nur halb entwickelten Embryonen vorzudringen. Sie hatten übermässig grosse Augen, erst rudimentäre Ansätze von Flügeln und vor allem: sie lebten. Eines war gerade dabei, einen Schnabel voll Geschlüdder zu verzehren. Eher widerwillig, doch unbeirrbar.
Es dauerte nicht lange, schon brachten einige der hilfsbereiten Artgenossen Insekten und Würmer herbei, um die Geretteten aufzupäppeln. 
Eines war zu unterentwickelt und erstickte. Bei einem zweiten war der Magen noch nicht zum Verdauen bereit. Bei den anderen zweien weiss man bis heute nicht genau, was der Grund ihres Sterbens war.
Zwei Vögel der jungen Brut jedoch überlebten. Ein Männchen und ein Weibchen. Sie wuchsen langsam, aber stetig zu ausgewachsenen Spatzen heran und lernten sogar fliegen. Als sie sich selbständig ernähren konnten, hörte das Bemuttern der anderen Vögel auf, sie konnten sich frei bewegen. Es dauerte nicht lange, waren die Beiden über alle Berge verschwunden.

Doch, als sie gemeinsam vom Appenzellerland her über den Gipfel des Hohen Kastens geflogen kamen, just in einem Moment, als sich der Himmel darüber handförmig eintrübte, erahnte im Rheintal nichts und niemand die schrecklichen Konsequenzen davon, dass diese mit beinahe übernatürlicher Hartnäckigkeit ausgebrütete und aufgepäppelte Jungbrut sich in der grosszügigen Natur dieses geschützten Fleckchens Erde niederlassen sollte.


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